Erinnerungen Eine spannende Geschichte

Veröffentlicht auf von Norberts

Erinnerungen

Eine spannende Geschichte über meine Bewacher

 

Neulich war ich wieder bei meinen Freunden auf den Canaren. Einer kannte sehr genau meine Vergangenheit und bat mich, doch mal zu berichten. Sie wussten wie gern ich die lustigen Geschichten mochte, das aber dort die spannenden Sachen nur am Rande erwähnt wurden, wenn überhaupt. Ich wollte nicht in dem schwarzen Schlamm baden wie Hertha Müller, den ich glücklicherweise verlassen durfte. Nun ja, ich war kein Soljenitzin, ich war kein Rudi Dutschke und doch gab ich einem Pastor den Auftrag wenn er in Westberlin sei, möge er doch anonym meiner Tante in Krefeld schreiben. Das ich weg wolle aus der DDR und sie möge doch darüber wachen, das ich nicht in Bautzen oder Waldheim verloren gehe, den damalig größten Gefängnissen für Republik-Flüchtlinge und politische Gegner. Es hatte die spannendste Zeit meines Lebens begonnen.

Während ich ein Jahr zuvor noch meine Verwandten traf ohne mich mit der Ausreise zu outen, ich mochte schon damals nur über Dinge reden, die erfolgreich verlaufen waren, hatte ich sehr schnell die Gelegenheit meine Verwandten vom Rhein zu treffen weil sie zur Beerdigung des Onkels ältestem Bruder gekommen waren. Auf dieser Reise, die aufs flache Land nördlich von Berlin führte, waren sie dabei, meine Bewacher. Während ich noch brauchte um die Begleitung im Zugcoupe, im Mitropa-Restaurant zuzuordnen, formulierte meine Frau flammende Texte, die in jede SED-Zeitung gepasst hätten. Sie versuchte eben auf diese Art mit der ständigen Bedrohung umzugehen. Meine erste Begegnung mit der Wach- und Schließgesellschaft hatte ich ein paar Monate vorher. Meine Anträge, die Republik verlassen zu dürfen, den Anträgen waren intensive Gespräche voraus gegangen, aber auch Studien in Bibliotheken über Republik-Fluchten die geischeitert waren, hatte ich erst zusammen mit meiner Frau, dann aber immer allein abgeben müssen. Immer neu die gleichen Fragen, auf der Suche nach einem Fehler den man wohl mir zu erst unterstellte. Aber ich war in der Sache erfolgreich. Und allein ohne Verwandtschaft an der polnischen Grenze wollte ich mitten in der Woche eine Kirche besuchen, die Bedrohung war nicht beschreib- jedoch fühlbar. Meine eigene Kirche war zu, so das ich auf der Suche nach einer offenen Kirche war. Zwei jüngere Herren in dunkler Kleidung, schwarzer Lederjacke standen in der Nähe meiner Haustür und schauten sich leere Schaufenster an, in denen lediglich eine Wohndecke gespannt war. Nun ihre seltsamen Betrachtungen interessierten mich nicht lange und ich stürmte förmlich an ihnen vorbei zum nächsten Gotteshaus. Wie würde ich auf die Knie fallen müssen, was war mit dem Weihwasser? Na kein Problem, kamen die Herren doch direkt mit mir des Weges. Nur, wo waren sie denn auf einmal geblieben? So, die Herren der Firma durften nicht mit in das Gotteshaus, aha. Ich hatte Glück, es gab eine Stadtjugendmesse mit viel Zuversicht und Music und gut gelaunten Mitgliedern. Da würde ich mich oft blicken lassen, sollte es doch auffallen wenn sie mich einfach wegsperrten. An einem Abend kam meine Frau vom Klavierspiel nach Hause und berichtete von einem Schatten. Es konnte ja nur jemand von der Firma gewesen sein. Am nächsten Abend und von da ab immer, ging ich sie dann abholen von der Turnhalle wo sie spielte für die Frauen-Gymlastik. Und an einem Straßenbahn-Rondell fand ich ihn. Verkleidet in einem Arbeitsanzug, in der Hand eine abgeschrubbte Arbeitstasche und guckte sich alle Umstehenden stechenden Auges an. Nun ich war ja in Verteidigungsmisson unterwegs – ich starrte zurück. Das wollte ich doch mal sehen wer da mehr präsent war. Ob es nun wirklich ein Mitarbeiter der Stasi war, oder nur ein armer Mensch dem es gesundheitlich nicht gut ging, jedenfalls räumte er den Platz. Von der Begleitung meiner Frau ließ ich jedoch nicht ab, schon möglich das sie den enttarnten Agenten aus dem Verkehr zogen. Ein Bewacher weniger.

Dann war es so weit, ich durfte gehen. Sie haben 24 Stunden Zeit, die Republik zu verlassen, stand auf den wichtigen Dokumenten. Doch wo hatte ich sie gelassen? Auch die siebente oder achte Suchaktion brachte die wichtigen Papiere nicht wieder zum Vorschein. Nur Magier wissen, man steht davor und sieht es nicht. Inzwischen musste ich mich überall abmelden, statt mich zu freuen, statt Zuversicht war ich mit den Nerven am Ende. Ohne Papiere würde ich ja bleiben müssen. Na die nächste Suchaktion brachte dann den glücklichen Fund, an gut sichtbarer Stelle, deponiert für einen sauberen Abgang. Um das Land verlassen zu können, gab es zwei Wege. Die Firma wusste aber bereits welches Zugticket ich gebucht hatte und war überall anwesend. Die Bahnsteige waren voll von ihnen, soweit sie mitfahren konnten auch im Zug. In Roßlau und in Magdeburg hatten sie sogar den Interzonenzug angehalten weil unser Zug von der polnischen Grenze Verspätung hatte. Und glücklich kam ich an den Rhein. Da es noch 8 Jahre dauern sollte, bis die Mauer fiel, hörten aber auch die Bewacher nicht auf, mich zu bewachen. Arbeitskollegen meiner Frau erkundigten sich ob sie regelmäßig in die DDR fahre, in der Firma traf ich jemanden, den ich schon mal in Halle Saale getroffen hatte, meine Einlassung, ich sei nicht bei der Fahne gewesen wurde korrigiert und Fahne mit NVA übersetzt und jemand wusste das in meinem Paket in den Osten der Gratiskaffee war, den ich in der Firma bekam. Der Fußballer Lutz Eigendorf starb bei einem mysteriösen Autounfall und ein Arztehepaar aus Erfurt starb weil man ein Umleitungsschild in den Abgrund auf die Straße gestellt hatte, was man nach der Tat ohne jede Spur beseitigen konnte. Und ich hatte auch meinen Autounfall, der da vor mir stehen blieb auf der Überholspur, fuhr einen grünen Benz. Etwa 1986 flog ich nach China und ein junger Mann aus Westberlin begleitete mich. Er gab den Betreuer der 6-köpfigen Reisegruppe und hatte sehr strenge Ansichten. Sportlich durchtrainiert hatte er immer ein offenes Ohr für mein tun. Schnell war er hinter mir her durch die Gassen von Kanton oder Hong Kong und wenn ich mir dann an die Stirn schlug – Oh je das Wörterbuch vergessen, lief ich ihn regelmäßig über den Haufen. Da er sich auch für meine anderen Ausflüge interessierte, erzählte ich ihm blumig von einem Festessen. Die Mitreisenden outeten mich dann, oh wieso sie sind ja gar nicht dabei gewesen – ich hatte ihm die Botschaft übermittelt das er nur dachte das er über mich Bescheid wusste aber ich immer noch eine Möglichkeit fand ihm zu entwischen.

Nach der Wende konnte ich dann meine Akte einsehen beim . Einige Einträge waren geschwärzt, dafür war einiges an Verdacht, zum Beispiel an den alten Pastor, der meine Tante informiert hatte, nicht wahr geworden. Obwohl wir zu Hause eine normale Familie waren, hatte man meine Jungen-Rauferei mit 6 Jahren bereits registriert, an deren Ende ich Richtung tschechische Grenze gelaufen war und das ich nur ein paar Jahre später an Radio Montreal eine Karte geschrieben hatte mit der Bitte um Information über Ausreise und Computer-Jobs war auch bei der Firma hängen geblieben...

 

 

Anmerkungen:

Mitropa – Bahnhofs-Restaurant-Betreiber

SED – Einheitspartei der DDR

Stasi – Geheimdienst der DDR

Firma – Spottnamen für Stasi

NVA – Nationale Volksarmee

 

1.Strophe DDR-Nationalhymne,

2.Zeile:

das es doch zum Guten diene Deutschland einig Vaterland!...

 

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