Mein lieber Goldhamster

Veröffentlicht auf von Norberts

Mein lieber Goldhamster!


Vielen herzlichen Dank für die guten Gaben, die du mir gesandt hast. Dir, liebe Dickbacke habe ich immer vertraut und du bist auch bis jetzt der Einzige gewesen, der mir blinden Maulwurf geholfen hat.

Man sagt, du bist geizig, man sagt, du wärest ein gieriger Raffer. Du lebst auf dem fetten Kornfeld und wenn es was zu holen gibt, bist du da. Ich weiß das du sammeln musst, wenn du mir ständig etwas abgeben willst. Deine Brüder haben einen besseren Bau, andere haben schnellere Füße als du, weil du abgibts von deinem Reichtum und sie nicht. Ich glaube, das dir das schenken Freude macht, doch ich glaube auch das du einen besseren Bau hättest wenn du deine Zeit nicht mit sammeln für mich vergeuden würdest.

Das sagt man so, dem macht schenken Freude, aber es ist harte Arbeit für dich und ich höre dich schnaufen wenn du die dopplte Last nach Hause trägst. Immer wieder lege ich ein Korn von dir in meine Schaufel, das es so etwas gibt, so großgewaschsen, so glatt, wie es duftet. Ich werde schon von diesem Korn satt sein und noch mehr Hügel auf die Wiese setzen. Die Kühe werden staunen. Ich möchte die Wald- und Wiesen-Ordnung ändern aber der große Vorsitzende im Wald- und Wiesen-Vorstand sagt, das wir mit unserer Wiese dem Kornfeld in der Entwiklung um Jahre vorraus seien und eines Tages auf dem Kornfeld – wie auf unserer Wiese Gras wachsen werde. Auf meinen Gängen ist es naß liebe Dickbacke. Wo ich mich nach der Arbeit ausruhe, ist gestern die Wand eingefallen, das Wasser hat sie weggespült und auch zwei meiner kleinen Kinder hat es dabei erwischt.

Keinen Hügel kann ich momentan auf die Wiese setzen, bevor uns die Kühe wieder auf dem Kopf rumtrampeln sind sie eingefallen. Ich möchte auch einmal im Lehmboden wohnen, es schön warm und trocken haben und so ein seidiges Fells wie deins, mit dir hinter den Wagen hersausen und Körner sammeln, ach ich bin so ungern ein grauer, blinder Maulwurf.

Ja du liebst meine Briefe, schreib blinder Maulwurf schreib, so kam es immer von dir und so habe ich es immer gehalten, habe dir geschrieben, manchmal bestimmt öde Bettelbriefe und jedesmal hast du mich mit köstlichen Körnern bedacht.

Was gibt es neues auf deinem Feld? Bei uns ist eine neue Familie eingezogen, sechs Kleine und die beiden alten Maulwürfe. Auf ihrer Wiese wurde eine Fabrik gebaut, sie wollten nicht weg und blieben. Die Menschen bauten Fakeln bis zu den Vögeln und um die Fakeln herrum war es schön warm, es fror im Winter nie. Das gefiel der Familie sehr; denn stell dir vor, selbst im Winter wuchs dort das Gras und der Boden war zum durchgraben weich. Nur unten, unten drinnen in der Erde, dort wo die Kinder schliefen war es kalt und im großen Frost verloren sie vier. Weil das Gras dort ganz besonders war, gab es auch andere Tiere dort, Bruder Lampe war da, die arme Kirchenmaus und die Küchenratte auch. Ich wollte es gar nicht glauben, aber es musste außer deinem Kornfeld noch andere Plätze geben, wo man reichlich ernten konnte. Da fanden die Maulwürfe Fett, es konnte auch etwas anderes gewesen sein was da aus einer kaputten Leitung der Fabrik in den Boden gesickert war, sie wurden jedenfalls immer weniger. Ich höre dich weinen Dickbacke, sei still, es musste wohl so sein. Warum denkst du nennt man uns die Maulwürfe? Weil außer einem einem großen Maul und vielen Würfen nichts drann ist an uns. Wärest du ein Goldhamster wenn du viele Kinder hättest? Gewiss manche schaffen es, aber oft sind die mit den vielen Kindern besonders arm. Jedenfalls blieben zwei übrig, und wurden unsere neuen Nachbarn.

Ich will dir lieber noch weiter von deinem großen Paket berichten, ich weiß doch das du dich freust wenn alles angekommen ist. Das du auch an alles gedacht hast, Wahnsinn. Ich jedenfalls freue mich immer über die Überraschungen die du für mich rein gelegt hast. Und ich hoffe mir geht es nicht wie dem vierbeinigen Prediger aus der Nachbarschaft, der muss wohl eine besonders gute Quelle haben, die nennt sich Caritas oder so. Jedenfalls hat er immer alles alleine gegessen und zwar soviel bis er krank geworden ist und unser Wald- und Wiesen-Arzt ihm das verboten hat. Jetzt darf er nur noch gesunde Sachen essen und davon auch nur die Hälfte. Ich halte es mit Mamas Spruch: Junge teil es dir ein, es muss ein ganzes Jahr reichen. So habe ich die Lakritz-Schnur in 24 Teile geteilt so das ich jeden Monat zwei Teile davon naschen kann.

Das nebenan die männlichen Mitbewohner alle gestorben sind, habe ich dir geschrieben? Einer bei seiner Arbeit im Krankenhaus, alles guckt auf den Mensch auf der Trage aber seinen Herzinfakt beachtet niemand, sein Großvater an Altersschwäche und der Schwager der in deiner Nähe wohnt, der Stadt mit der Regatta-Strecke und dem großen Güterbahnhof. Na wie ich dich kenne wirst du da auch Körner und Blumen hinschicken.

So, ich muß meinen Brief jetzt beenden, ist ja nicht mehr lange bis zu dem großen Fest und dann werde ich schon schreiben was da wieder alles im Paket war und ob deine alte Freundin die Frau Herzog noch lebt.

Ganz liebe Grüße von allen die du hier kennst

Dein Maulwurf


Norbert Hoffmann aus 1977

Nachruf an alle Care-Pakete-Sender und die vielen West-Ost-Pakete

 

Veröffentlicht in Geschichten

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